Nächst dem Berliner Schlosse ist das Potsdamer Stadtschloß die wichtigste Residenz der Hohcnzollern in Brandenburg-Preußen. Seine älteste Baugeschichte ist ebenso wie die des Berliner Schlosses in Dunkel gehüllt, und erst vom Ende des ]6. Jahrhunderts stammen die frühesten Nachrichten über die baulichen Zustände des damaligen Gebäudes. Über den 1598 begonnenen Neubau der Kurfürstin Katharina sind wir bereits etwas besser unterrichtet und können aus den erhaltenen Inventarcn eine Vorstellung von der inneren Einrichtung gewinnen, eine Abbildung der äußeren Erscheinung ist uns aber nicht erhalten. Uber den Neubau des Großen Kurfürsten dagegen sind wir, was die äußere Erscheinung anbelangt, durch ausgezeichnete Abbildungen sehr gut informiert, während uns für die innere Einrichtung ein allerdings erst unter seinem Nachfolger angelegtes Inventar Auskunft gewährt.
Das Potsdamer Stadtschloß in seiner heutigen äußeren Erscheinung verdankt diese dem von Friedrich dem Großen vorgenommenen Um- und Ausbau. Geändert hat sich nur die Farbenfreudigkeit und Frische der Bemalung, die einer gleichmäßigen Tünche und Farblosigkeit gewichen ist. Hier wieder den ursprünglichen Intentionen gerecht zu werden, wäre dadurch sehr erleichtert, als uns die farbige Erscheinung des Schlosses durch Ölgemälde aus dem Jahre 1771 mit größter Genauigkeit überliefert worden ist. Bedeutungsvoller sind die Umwandlungen der Innenräume unter König Friedrich Wilhelm 111., der einige Räume der Wohnung Friedrichs völlig neu ausbaucn ließ, während bei anderen, die zur Wohnung der Königin Luise umgewandelt wurden, wohl nur aus Sparsamkeitsgründen wenigstens die schönen vergoldeten Stuckdecken erhalten blieben. Das Theater Friedrichs wurde durch Friedrich Wilhelm III. leider ganz beseitigt und zu kleinen Wohnungen für das Gefolge ausgebaut.
Friedrich II. hat nicht von Anfang an einen weitgehenden äußeren Umbau des Stadtschlosses geplant, sondern begnügte sich zunächst mit einer am 2. August 1744 befohlenen Abputzung und Instandsetzung des Gebäudes, die im wesentlichen aus dem Ausbessern des abgcfallenen Putzes und aus dem Streichen und Färben der jedenfalls sehr verwaschenen und verschmutzten Fassaden bestanden. Da aber die Order zum Bau der Terrassen von Sanssouci vom 10. August desselben Jahres lautet, muß man annehmen, daß der König sich um jene Zeit definitiv entschlossen hatte, in Potsdam seinen 1 lauptwohnsitz, wenigstens finden Sommer, zu nehmen. Und schon vom 29. Dezember 1744 ist. die Order datiert, in der Friedrich die Mittel zur Verschönerung des Stadtschlosses durch zwei neben ihm zu erbauende Kolonnaden anweist, die das Schloß selber aber unberührt lassen. Die Entwürfe dazu waren nach des Königs Angaben von Knobelsdorff hergestellt, und es ist wohl zweifellos, daß auch hier, ebenso wie später bei den Kolonnaden des Schlosses Sanssouci, die lieben Erinnerungen an den Rheinsberger Schloßbau mit seiner Kolonnade bei dem Bauherrn wie bei dem Baumeister den Anstoß zu dieser Idee gaben, wenn auch die Anlage selber bei den abweichenden Verhältnissen ganz anders gestaltet werden mußte. Die eine Kolonnade erstreckt sich von der nach der Havel zu liegenden Schloßecke bis zu der kurz vorher am Havelufer fertiggestellten Balustrade und besteht aus acht Paar gekuppelten Säulen, von denen die zwei Endpaare und die links und rechts vom Durchgang liegenden durch je eine dritte Säule verstärkt waren, damit die ganz frei stehende Kolonnade bei starkem Winddruck nicht ins Schwanken geraten sollte. In die Zwischenräume der Säulen wurden Gruppen gestellt, auf der Attika aber erhielten Kindergruppen und Vasen abwechselnd ihren Platz. Die zweite erst im Jahre 1746 fertiggestellte
Kolonnade wurde in ähnlicher Weise, aber entsprechend länger, zwischen der Westseite des Schlosses und dem damaligen Orangenhause, später Marstall, aufgestellt und besteht aus 32 Säulen, in deren Zwischenräumen Gruppen von Ringern und Fechtern ihren Platz erhielten. Vielleicht ist es die Freude an der Herstellung dieser Kolonnaden gewesen, die den König zu dem Entschlüsse brachten, die äußere Erscheinung des gesamten Stadtschlosses mit seinen Neigungen und seinem Geschmack in Einklang zu bringen und sich darin als Ergänzung seines in demselben Winter 1744/1745 begonnenen Sommerschlosses Sanssouci ein Winterquartier einzurichten, das ihm ermöglichte, das ganze Jahr in dem liebgewonnenen Potsdam zubringen zu können.
Die Entwürfe für den Umbau der Fassaden des Stadtschlosses wurden unter reger Beteiligung des Königs, der selber Zeichnungen dazu entworfen hat, von Knobelsdorff hergestellt und die Arbeit danach sofort in Angriff genommen. Der Grundriß des Schlosses erlitt keine wesentlichen Veränderungen, eine Vergrößerung erfuhr er nur durch den Anbau des Konfidenztafelzimmers an die Wohnung des Königs. Die äußere Erscheinung erfuhr aber eine durchgreifende Umgestaltung, ohne daß in die Verteilung der Fenster irgendwie eingegriffen wurde, indem dem Mittelrisalit der Lustgartenfassade durch zwischen den fünf Fenstern angebrachte, auf das Rustika-Untergeschoß gestellte Doppelhalbsäulen ein kraftvoll sich geltend machender Palastcharakter verliehen wurde; dafür, daß durch die einfachen Halbsäulen an den Ecken dieser Eindruck sehr abgeschwächt wurde, konnte der Architekt nichts, denn für Doppelsäulen war dort kein Platz vorhanden, nachdem der König eine Veränderung der Fensteranlagen ausdrücklich verboten hatte. Die Seitenrisalite erhielten, ebenso wie die Seitenfronten dieses Hauptgebäudes und alle Risalite der Seitenflügel, in ähnlicher Weise angebrachte einfache Pilaster zwischen den Fenstern, während die zurücktretenden Teile der Gartenfront mit gekuppelten Doppelpilastern versehen wurden. Das Dachgesims erhielt eine mit Figuren und Vasen geschmückte Balustrade, und außerdem wurden Kartuschen mit dem preußischen, brandenburgischen und schlesischen Wappen angebracht. Die bisherige Freitreppe wurde in eine Rampe umgebaut, deren Balustraden mit Laternenfiguren, Sphinxen und Vasen reich geschmückt sind. Die Seitenfassaden wurden durch Aufbau eines neuen Stockwerkes mit dem Hauptgebäude auf gleiche Höhe gebracht und in oben angedeuteter Weise mit Pilastern zwischen den Fenstern belebt. An den Giebelseiten dieser Flügel nach dem Markte zu wurde das Erdgeschoß vorgerückt, um vier freistehenden Säulen Raum zu gewähren, die mit Bildhauerarbeit reich geschmückte Frontispize trugen. In ihrer äußeren Erscheinung blieben das de Bodtsche Portal und die niedrigen halbrunden Seitengebäude desselben erhalten, letztere wurden nur nach der Schloßhofseite mit Arkaden versehen und ihr Hauptgesims mit einer durch Vasen und Trophäengruppen geschmückten Balustrade verziert. An der Hofseite des 1 rauptgebäudes mußte das Mittelrisalit erweitert werden, um einem reich ausgcstaltcten Marmortreppenhause Raum zu gewähren, dessen Front durch fast ganz freistehende Doppelsäulen und Eck-säulen als Mitte des Baues stark hervorgehoben wurde, während die Seitenteile dieser Front und die Hoffronten überhaupt ähnlich wie auf den Außenseiten des Schlosses durch Pilaster belebt wurden. Die Balustraden des Daches wurden mit Figuren und Vasen reich geschmückt, das Kupfer blau gefärbt und mit vergoldeten Zieraten versehen. Diese energischen Farben des Daches, verbunden mit der roten Färbung aller Frontflächen, die durch das grün getönte Bodtsche Portal noch mehr hervorgehoben wurde, müssen dem ganzen Gebäude, wie auch die erhaltenen danach gemalten Ölgemälde aus der Zeit Friedrichs des Großen bezeugen, eine ungemein lebhafte farbenfrohe Erscheinung verliehen haben, die mit der ganzen ungebrochenen Farbenpracht der inneren Ausstattung in Marmor, Seidenstoffen und Gemälden in innigster i larmonie stand. Noch heute wird vielfach der Fehler begangen, die Farbenfreudigkeit unserer Vorfahren nach den Überresten verblaßter Seidenstoffe oder nach dem Schmutze jahrhundertelang nicht gereinigter oder abgenutzter Vergoldungen und Deckengemälde zu beurteilen. Wir begehen hier denselben Fehler, als wenn wir uns das alte Griechenland voller schneeweißer Marmortempel und Figuren denken, wie sie uns heute überliefert sind, nachdem tausendjähriger Regen oder feuchte Erde auf ihre reiche Farbenpracht cingewirkt haben.
Dieser Umbau des Stadtschlosses wurde im Jahre 1751, selbstverständlich nicht in der hier gegebenen Reihenfolge meiner kurzen Skizze, zu Ende geführt. Ein jeder Besucher Potsdams erblickt beim Überschreiten der Langen Brücke als erstes Bild der Stadt vor sich das Stadtschloß, er sicht durch die Havelkolonnaden über den Lustgarten, in dessen Hintergründe die Garnisonkirche emporragt und alle Augenblicke durch ihr Glockenspiel aus luftiger Höhe die Erinnerung an die alten Zeiten in uns wachruft, er sieht vor dem Schlosse die mit unendlicher Mühe und Sorgfalt erhaltene Bittschriftenlinde, von der aus die Bittsteller ihre Gesuche zu dem Arbeitszimmer des alten Fritz emporhielten; und doch wie wenige von den Tausenden, die hier namentlich im Sommer täglich vorbeiströmen, kommen auf den Gedanken, das Innere des Schlosses zu besichtigen und die zahlreichen Andenken an den Großen König in den von ihm bewohnt gewesenen und bis auf heute pietätvoll erhaltenen Räumen aufzusuchen. Wohl nur ein kleiner Bruchteil der Besucher Potsdams weiß überhaupt, daß im Stadtschloß die Winterwohnung des Großen Königs lag, die stilistisch zum Teil viel schönere und bedeutendere Räume und vor allen Dingen in Stoffen und Einrichtungsgegenständen viel besser erhaltene Zimmer enthält als Sanssouci. Trotz mancher Umbauten im Stadtschlosse, namentlich unter Friedrich Wilhelm IIP, sind wenigstens die Wohnräume Friedrichs so gut wie unberührt geblieben und vermögen uns noch heute das beste und ungetrübteste Bild der von ihm sich geschaffenen Umgebung zu gewähren. Auch hier möchte ich bei der Schilderung der Einrichtungen von einer chronologischen Reihenfolge Abstand nehmen, sondern meine Leser im Zusammenhänge durch Friedrichs Wohnräume führen und an dieser Stelle nur die chronologische Aufeinanderfolge der inneren Ausbauten kurz andeuten.
Von der fürstlichen Einrichtung des Schlosses, wie wir es aus dem Inventar von 1713 kennen lernen, findet sich in den Wohnräumen Friedrichs gar nichts mehr vor, und auch die ganze Innendekoration ist bis auf die Decke im Marschalltafelzimmer und die Dekoration eines Ganges im dritten Stockwerke völlig verschwunden. Nur die Stuckdekorationen Schlüters an der Decke des Marmorsaales wurden pietätvoll konserviert und in die neue Ausgestaltung der Decke hineingezogen.
Da Friedrich in Potsdam ohne seine Gemahlin residierte, wurde die alte Einteilung der Räume hinfällig, der König verlegte seine intimeren Wohnräume in die Zimmer, wo ehedem Kurfürstin Louise Henriette und Königin Sophie Charlotte ihr Quartier hatten, und gestaltete die Wohnungen des Großen Kurfürsten und König Friedrichs I. zu Gesellschafts- und Gasträumen.
Wie nach dem Siebenjährigen Kriege der Bau des Neuen Palais von Sanssouci beweisen sollte, wie wenig Preußen von des Krieges Not erschöpft war und wieviel mächtiger sein Herrscher aus diesem Kampfe mit ganz Europa hervorgegangen war, so wurden durch den Ausbau des Stadtschlosscs die beiden ersten Schlesischen Kriege und die Gewinnung dieser kostbaren Provinz gefeiert und verherrlicht. Wir erwähnten schon, daß an der I fauptfront neben dem preußischen und brandenburgischen das schlesische Wappenschild angebracht war, und treten wir von der Hofseite aus in das Schloß, so sehen wir, daß Schlesien das Material für die drei ersten Räume hat gewähren müssen, denn im Treppenhause, in der Galerie vor dem Marmorsaale und in diesem großen Saale selber sind Wände und Fußböden durchweg aus schlesischem Marmor hergcstellt; Friedrich wollte auch hier zeigen, daß er bis in das Innere der Berge hinein Besitz ergriffen hatte von seiner Eroberung und daß er an ihr festzuhalten gedachte. Während Friedrich in Sanssouci durch die Dekoration der Wände und Decken andeutete, daß er hier ganz den Musen und schönen Künsten als Philosoph von Sanssouci» zu leben gedachte, so sehen wir im Stadtschlossc nichts von antiken Mythologien und olympischen Zusammenkünften, keine 1 lorazverse und keine Venus Urania ziehen unsere Blicke auf sich, sondern gleich im Treppenhause sehen wir an dem Deckengemälde Pesnes den anderen Geist, der hier waltet, zum Ausdruck gebracht. Dort wird ebenfalls der Krieger verherrlicht, der als Sieger über die bösen Mächte den neu eroberten Provinzen und seinen Ländern den Frieden bringt, jauchzend stößt die Fama in die Trompete: «Orbi Pacem Felicita-temque Nuntiafero.»
Daß sein eigenes Bildnis zu einer wenn auch nur allegorischen Verherrlichung seiner Siege, die übrigens in dem erwähnten Bilde Pesnes in allen Schlössern Friedrichs einzig dasteht, benutzt werde, hat der König nie gestattet; dagegen hat er den Bau des Stadtschlosses dazu benutzt, das dort im Marmorsaale dem Großen Kurfürsten, der den Grund und das Fundament zu Preußens Macht gelegt hatte, errichtete Denkmal zu erweitern und weiter auszugestalten. Die Vorgefundenen großen Ölgemälde mit den Verherrlichungen des Großen Kurfürsten von van Thulden, Lcygebc und Vaillant wurden in dem neu hergestellten Marmorsaale in prachtvollen Goldrahmen wieder angebracht, daneben aber vergoldete Bronzerelicfs mit Darstellungen der Siege Friedrich Wilhelms und ebensolche Trophäen in den Marmor eingelassen, und über dem Ganzen auf der von dem Schlütcrschen Figurenfries eingerahmten Decke als Abschluß eine allegorische Verherrlichung seines großen Vorfahren von van Loo gemalt. Wie nahe hätte es für den jugendlichen Sieger in zwei gewaltigen Feldzügen gelegen, und wie verständlich wäre cs erschienen, wenn er seine Taten hier neben die seines Urgroßvaters gestellt hätte, aber nein, weder jetzt noch später hat der Große König die von ihm so geliebte und bewunderte Kunst dazu benutzt, um seinen Ruhm auch im Bilde oder Stein und Erz auf die Nachwelt gelangen zu lassen, ja nicht einmal hat er nach seiner Thronbesteigung gestattet, daß ein Maler sein Bildnis getreu nach dem Leben für die Nachwelt schuf. Müssen wir auch diesen Mangel künstlerischer Verewigung des Genius mit großem Schmerze bedauern, so stehen wir doch wieder bewundernd vor einer solchen Seelengröße, die über alle menschliche Eitelkeiten der Welt, des Ruhmes und des Erfolges derartig erhaben war.
Mit dieser sozusagen politischen Inszenierung der Eintritts- und großen Festräume seiner Wohnung im Stadtschlosse ist Friedrichs Bedürfnis nach dem Pompe öffentlicher Repräsentation völlig genügt, in seinen Wohngcmächern ist die Behaglichkeit, die künstlerische Durchbildung aller Einzelheiten gemäß seinem persönlichen Geschmack der einzige Gedanke, der ihn bei ihrer Herstellung leitet.
Gleich im Jahre des Regierungsantrittes beginnt die Instandsetzung der intimen Wohnräume des Königs, von denen das kleine Speisezimmer, das Schreibgemach an der Ecke und das Schlafgemach in den Rechnungen ausdrücklich genannt werden, doch ziehen sich die Arbeiten bis zum Juni 1742 hin. Diese erste Ausgestaltung der drei Räume war bedeutend einfacher als wie sie sich heute zeigt, und nur das ovale Speisezimmer scheint seine damalige Erscheinung bewahrt zu haben. Das Schlafzimmer mit dem Alkoven war boisiert und weiß gestrichen, während die Stuckverzierungen der Decke und die Holzschnitzereien vergoldet waren, auch war die Balustrade vor dem Alkoven aus bemaltem und zum Teil vergoldetem Holz hergestellt. Ebenso war das Arbeitszimmer boisiert und weiß gestrichen. Auch das Konzertzimmer wird in einer Malcrrechnung vom Juni 1742 erwähnt, in der auch von dort befindlichen Freskomalereien gesprochen wird.
Erst mit dem Jahre 1744, in dem der Bau von Sanssouci begann und die Wahl Potsdams zur Hauptresidenz des Königs feststand, wurde der äußere Umbau des Potsdamer Stadtschlosses begonnen, und gleichzeitig wurde die Herstellung einer wirklich königlichen Wohnung energisch in Angriff genommen, während die bisherigen oben erwähnten Arbeiten keine größere Bedeutung als die Herstellung eines vorübergehendem Aufenthalte dienenden Absteigequartiers hatten. Neben Knobelsdorff, dem Generalintendanten der königlichen Bauten, ist für die Innendekoration der Räume in erster Linie der Bildhauer Johann August Nahl von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, der als Direktor der Ornamente wirkte und für die Ausführung derjenigen Skizzen, die er nicht allein bewältigen konnte, im Namen des Intendanten Kontrakte mit Künstlern und Handwerkern schloß. Unser besonderes Interesse erregt Nahl durch den Umstand, daß er in Berlin geboren ist; seine Erziehung und Ausbildung erhielt er aber im Auslande, ganz besonders in Straßburg, wo er auch das Bürgerrecht besaß. Im Jahre 1741 oder 1742 kam er nach Berlin, und ihm verdanken wir das Schönste von Innendekorationen, was die Schlösser von Charlottenburg und Potsdam aufzuweisen haben. Als Ausführer seiner Entwürfe und später auch als selbständige Künstler kommen für Holzschnitzereien Vater und Sohn Hoppenhaupt in Frage, die nach dem Fortgange Mahls im Jahre 1746 die meisten wichtigeren Arbeiten dieser Art zu liefern hatten. Auf die große Zahl der sonstigen Holzbildhauer, der Marmorarbeiter, Stukkateure, Bronzearbeiter, Tischler usw. können wir hier nicht näher eingehen.
Von besonderem Reize ist in der Wohnung Friedrichs im Potsdamer Stadtschlosse die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der Motive und Dekorationsarten, durch die ein jeder Raum seinen ganz bestimmten Charakter erhält. Auch der dem König so eigenartigen Vorliebe für das Silber anstatt des Goldes an Decken, Holzschnitzereien und Möbeln begegnen wir hier in der schönsten Vollendung. In dem Schlafzimmer ist diese Neigung sogar so weit durchgeführt, daß die Alkoven-balustradesowic dicMetall-beschläge des Schreibtisches und der Kommoden aus massivem Silber hergestellt sind. In dieser Zusammenstimmung der Farbentöne von sehr reich angewandtem Silber mit dem zarten mit Silber melierten Blau der Tapeten, Möbelüberzüge und Gardinen (heute zum Teil vereinfacht) und dem Weiß des Holzanstriches erscheint der König geradezu bahnbrechend gegenüber dem damals als absolut vorbildlich geltenden französischen Geschmack, das kein einziges Beispiel ähnlicher Dekorationen aufzuweisen vermag.
Ein kleines Juwel ist ferner das Zedernkabinett mit seinen von Nahl entworfenen vergoldeten Bronzedekorationen und das ebenfalls von Nahl dekorierte Konzertzimmer mit seinen von vergoldeten Holzschnitzcreien eingefaßten Malereien auf Goldgrund in chinesischer Manier. Die außerordentlich feinen und noch ganz den Regencestil atmenden vergoldeten Holzschnitzereien des Marschalltafelzimmers werden in ihrer Erscheinung durch die schwer auf dem Raume lastende weiße Decke aus der Zeit des Großen Kurfürsten geschädigt, gehören aber in bezug auf Feinheit der Zeichnung und Durchbildung der technischen Ausführung zu dein Vollendetsten, was aus dieser Zeit vorhanden ist.
Späterer Zeit (1748 —1750) entstammen das Konfidenztafelzimmer mit seinen rosa Sammettapeten und den etwas schwerfälligen Bronzedekorationen von Melchior Kumbly sowie die Dekoration der «laquirten naturellen Blumen-Kammer», des Arbeitszimmers des Königs, mit geschnitzten Blumengehängen von Johann Christian Hoppenhaupt (1755), die dann von Augustin Dubuisson, dem Schwager und Schüler Pesnes, coloriret und natürlich gemahlet wurden.
Der bereits oben erwähnte, 1749—1751 ausgebaute große Marmorsaal trennte diese intimen Wohnzimmer Friedrichs von der ehemaligen Wohnung des Großen Kurfürsten und Friedrichs I., deren Ausbau gleichzeitig in Angriff genommen wurde. Der Anschlag Boumanns ist vom 26. Februar 1744 datiert, doch wissen wir nicht, ob er vom König bewilligt und ob die Ausführung sofort in Angriff genommen wurde, denn auch hier wieder lassen uns die Akten völlig im Stich. Dazu kommt, daß von den sechs in Frage kommenden Räumen nur ein einziger erhalten geblieben ist: der sich unmittelbar an den Großen Marmorsaal anschließende Bronzesaal. Nach dem erwähnten Anschläge Boumanns von 1744 war die Dekoration dieses Raumes in vergoldeter Holzschnitzerei gedacht, deren Aufzählung und knappe Schilderung den Gedanken nahelegt, daß sie der zehn Jahre später ausgeführten Dekoration in vergoldeter Bronze völlig entsprach. Dadurch würde auch die durch Nicolai überlieferte, an sich sehr wahrscheinlich klingende Tradition bestätigt, die den Entwurf dieses Raumes Nahl zuschreibt, der bei der Ausführung derselben in Bronze in den Jahren 1754 1755 aber Potsdam und Berlin längst verlassen hatte. Der am 8. März 1754 zwischen dem Gcheimkämmerer Predersdorff und Melchior Kambly geschlossene Kontrakt legte die Ausführung in Bronze für die Summe von 16500 Talern ganz in die Hände des letzteren, während nur ein kleiner Teil der Modelle von Schwitzer für 1190 Taler und die Feuervergoldung von dem ITanzoscn Morel unter der Oberaufsicht Kamblys für 8000 Taler geliefert werden sollte. Der Bronzesaal diente unter Friedrich dem Großen bei festlichen Gelegenheiten als Speisesaal und nimmt die Breite des ganzen Flügels ein, so daß er zwei Fenster nach dem Hofe und zwei nach der Garnisonkirche zu hat. Die ganze überaus reiche Dekoration der Wände besteht aus vergoldeter Bronze von einem Reichtum und einer Vielseitigkeit der Erfindung, sowie einer Durchbildung und Eleganz der Einzelformen, die durch keine anderen Leistungen auf diesem Gebiete, auch in Frankreich nicht, je übertroffen wurden. Zum Beweise dieser Behauptung geben wir einem berufenen französischen Kritiker, Famile Michel, das Wort, der in der Revue des deux Mondes vom April 1883 einen geistvollen Aufsatz über Friedrich II. und die Kunst am Preußischen Hofe veröffentlicht hat.
Die Ausstattung, die Friedrich der Große den sich an den Bronzesaal anschließenden fünf Räumen geben ließ, ist heute verschwunden, sic mußte unter König Friedrich Wilhelm III. einer gänzlich veränderten Geschmacksrichtung weichen. Jedoch vermögen wir uns aus der 1786 erschienenen Beschreibung Nicolais noch ein deutliches Bild dieser Räume zu machen. Auf den Bronzesaal folgte das Audienzzimmer des Königs mit von Heinitscheck reich in Silber gestickten gelben Sammettapeten. Auch der preußische Adler mit Schild und Schildhaltern auf der Rückwand des Thrones hinter dem Sitze des Königs war reich in Silber gestickt. Die Verzierungen der Stuckdecke waren versilbert und wahrscheinlich ebenso die sonstigen Dekorationen der Wände und die Möbel. Das Wohnzimmer war «mit Silberstuck tapeziert, worauf vergoldete Leisten und Tressen; die Vorhänge ebenso». Die darauffolgende kleine Galerie war getäfelt, die Füllungen grün und der Grund fleischfarben, die Pilaster mit Mosaik und die Dekoration vergoldet.
Einen besonderen Schmuck des Raumes bildeten sieben antike Büsten aus der Sammlung Polignac und drei Gemälde von Watteau. Die folgenden beiden Räume bildeten früher zusammen den sogenannten Roten Saal und waren jetzt in zwei Räume geteilt. Der erste war als Schlafzimmer eingerichtet, und der Alkoven hatte ein Geländer von vergoldetem Erz.
Die Wände waren mit Goldstoff auf grünem Grunde tapeziert. Zur Erinnerung an die Bewohnung des Zimmers durch Friedrichs Schwester, Königin Ulrike von Schweden, hing hier deren Bildnis als Braut von Pesne gemalt und war vor dem Kamin ein von ihr mit Chenille gestickter Kaminschirm aufgestellt. Aus der zweiten größeren Hälfte des Roten Saales wurde das große Konzertzimmer Wänden von Marmorstuck, auf bunte chinesische Figuren auf Goldgrund gemalt waren. Die Dekorationen der Decke und der Wände waren vergoldet, und die Vorhänge und Möbelübcrzüge bestanden aus rotem Sammet. Eine Besondere Merkwürdigkeit war der Ofen, der in einer von Erz gemachten, ein Instrument spielenden chinesischen Dame, über die ein Chinese einen Sonnenschirm hielt, verborgen war. Auch das im November 1745 im Rohbau fertige und dann von Nahl dekorierte Theater ist gleichfalls verschwunden, es wurde unter König Friedrich Wilhelm III. zu Dienerschaftswohnungen ausgebaut.
Auffallend spät, erst im Jahre 1746, wurden das Treppenhaus und daran anschließend 1749-—1751 die Marmorgalerie und der Marmorsaal in Angriff genommen, um die Gestalt zu erhalten, in der sie noch heute erscheinen. Hier und in dem gleichzeitig 1747 gebauten Marmorsaal im Schlosse Sanssouci wurde der Marmor in reichstem Maße als Baumaterial herangezogen, in Sanssouci zum Teil der italienische, im Stadt-schlossc der schlesische, der seitdem in allen Bauten Friedrichs eine große Rolle spielte.
Nachdem der König durch den Bau der französischen Kirche in Potsdam der französischen Kolonie ein eigenes kirchliches Heim geschaffen hatte, kam die alte Schloßkapelle im Stadtschlosse wieder zu seiner Verfügung. Sie wurde im Jahre 1752 zu einem vornehmen Quartier ausgebaut, dessen Dekorierung sich nur in den schönen vergoldeten Stuckdecken zum Teil erhalten hat, als die Räume zu einer Wohnung der Königin Luise verwandt wurden. Besonders zu erwähnen ist die eigenartige Dekoration des Eckkabinetts, das später, bis auf die Decke umgestaltet, als Schreibkabinett der Königin Luise diente. An den Wänden befanden sich mit Spiegeln ausgelegte Pilaster, die mit vergoldeten Kragsteinen verziert waren, auf denen Vasen von Berliner Porzellan standen. Die Füllungen zwischen den Pilastern bestanden aus weißem Taffet, auf den Hcinitscheck chinesische bunte Figuren und Lusthäuser gestickt, Wasser, Luft und Hintergrund aber gemalt hatte. Auch die Tapeten der anderen Räume waren reich ausgestattet; das spätere Wohnzimmer der Königin Luise hatte Tapeten von perlfarbenem Atlas, worauf chinesische Verzierungen mit Blumen durchflochten von Heinitscheck in Gold gestickt waren. Der Salon war mit apfelgrünem Atlas tapeziert, auf dem «mit Gold erhöhte Dekorationen und Fruchtgehänge von Blumen mit natürlichen Farben sehr reich und schön von Pailly in Berlin gestickt sind». Alle diese kostbare Dekoration der Wände, nach Manger erhielt Heinitscheck allein 16000 Taler für seine Arbeit, ist mit den vergoldeten Schnitzereien der Wände, Spiegeln und Möbeln spurlos verschwunden, nur die prachtvollen üppigen vergoldeten Rokokodecken wissen in seltsamem Gegensätze zu dem im Verhältnis mageren, nüchternen und ärmlichen Mobiliar aus der Zeit der Königin Luise von dem Geschmackc Friedrichs des Großen und der Pracht, die hier einmal geherrscht hat, zu erzählen.
Text aus dem Buch: Friedrich der Grosse und die bildende Kunst (1922), Author: Seidel, Paul.
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Friedrich der Grosse und die bildende Kunst – Vorwort
Friedrich der Grosse und die bildende Kunst – JUGENDEINDRÜCKE.
Friedrich der Grosse und die bildende Kunst – RHEINSBERG.
FRIEDRICH DER GROSSE ALS BAUHERR